Zuhause beim König der Tiere

Namanga, Kenia – Kilometer: 17150 – Wetter: 30°C, sonnig

Nachdem uns Kenia mit der allseits bekannten und gefürchteten Mörder-Strecke empfing und wir am liebsten wieder umgekehrt wären, hatte das Land dann doch Einiges für uns zu bieten – vor allem natürlich unsere erste richtige Safari.

Von Moyale bis Isiolo

Die 500km von der nördlichen Grenze Kenias in Moyale bis nach Isiolo gelten als schlechteste Straße in ganz Afrika, wir haben schon im Sudan die Gerüchteküche brodeln hören, sind also sehr gespannt – und sollen nicht enttäuscht werden. Zudem gilt die Strecke als gefährlich. Das komme wohl daher, dass es lange nicht geregnet hatte und einige Stämme in der Region daher Reisende überfielen, um an Geld und oder etwas zu Essen zu kommen. Bereits in der kenianischen Botschaft in Khartoum wurden wir darauf hingewiesen. Wir hören auch immer wieder das Wort Konvoi, d.h. die Strecke sei nur mit Begleitschutz in Kolonne zu fahren. Als wir in Moyale nachfragen sagt man uns, wir sollten lediglich erst gegen 7 Uhr los und nicht wie geplant um 6 Uhr, da dann erst die Soldaten starten würden, um sich entlang der Straße zu postieren. Die Strecke wird in letzter Zeit stark überwacht und – um es vorweg zu nehmen – es ist nichts Beunruhigendes passiert.
Was man vom Zustand der Straße allerdings nicht behaupten kann. Robert hat vorgesorgt und die Sandbleche und Ersatzreifen vom Dach ins Auto verfrachtet, damit sie sich nicht lose rütteln und um die Geräuschkulisse zu minimieren. Auf den 2 Mal 260km klappert und schaukelt es dennoch ordentlich während wir mit durchschnittlich 15km/h mal über Lehm (fährt sich gut, ist nur bei Regen sehr ungünstig), Wellblechpiste (das Schlimmste überhaupt, weil es alles am Auto lose rüttelt) und dann alles von Steinchen, spritzen Steinchen über Kiesel bis zu richtig fiesen Brocken (nicht schön für die Reifen) fahren. In den Kies haben LKWs so tiefe Rinnen gefahren, dass es für uns nicht möglich ist, darin zu fahren, so dass wir seitlich oben auf den aufgeschobenen Haufen „balancieren“ müssen. Und dabei hat es entspannte 45°C im Bus, keinen Wind oder Baum weit und breit und strahlenden Sonnenschein. Willkommen im Urlaub!
So kriechen wir also zwei Tage lang jeweils über 10 Stunden über die Piste, sehen immerhin einige Strauße in weiter Entfernung und dann kommt er – der Beginn der Asphaltstraße! Bibi Bloxberg, wir können dir jetzt nachfühlen, wie es ist! (Bibi Bloxberg ist unser Kosename für Susi Boxberg („Köln-Kapstadt“), die mit dem Motorrad 2001/02 im Sudan noch 500km durch Zuckersand fahren musste bis endlich der Asphalt kam.)
40km vor Isiolo machen wir Halt in Archer’s Post auf dem uns empfohlenen Saburu Women Campsite.

Archer’s Post und das Samburu-Dorf

Der Campingplatz soll nur von Frauen geführt werden und diese damit finanziell unterstützen. Wir sind daher etwas enttäuscht, als sich sogleich ein Mann als der Manager vorstellt und man die Frauen nur als Arbeitskräfte auf dem Platz sieht.
Dennoch bleiben wir und lassen uns erklären, dass der Campingplatz zu einem Dorf gehört, das gleich nebenan liegt. Das Dorf wird nur von Frauen bewohnt, die alle dem Stamm der Samburu angehören. Als wir das Dorf besichtigen erfahren wir noch mehr: Die Frauen sind alle von der Gesellschaft ausgeschlossen, da sie sich auf die eine oder andere Weise gegen die Regeln gestellt haben. Einige haben sich von ihren Männern getrennt, andere sind vor Zwangsheirat oder Beschneidung geflüchtet. Im Dorf wird jede Frau aufgenommen, die Hilfe oder Schutz braucht. Es wird erzählt, man habe sie außerhalb des Dorfes immer wieder mit Steinen beworfen, weil sie durch ihre jetzige Lebensweise nicht mehr vom Stamm akzeptiert werden. Im Dorf verrichten die Frauen alle Arbeiten – vom Viehhüten bis zum Hausbau – alleine, die einzigen Männer, die hinein dürfen, sind die Söhne der Frauen, die sie auch vor Angreifern und Anfeindungen beschützen. Das Dorf hat sogar eine eigene Schule, in die auch die Mädchen des Dorfes gehen dürfen – immer noch keine Selbstverständlichkeit hier. Wir sind berührt von dem Schicksal der Frauen, dem Stolz den sie ausstrahlen und der Freundlichkeit, die sie uns entgegen bringen. Da tut es auch nicht weh, dass der Campingplatz etwas teuer für seinen praktisch nicht vorhandenen Standard ist. Wir geben das Geld den Frauen ja selbst in die Hand. Wann hat man von zuhause aus schon mal die Gelegenheit zu sehen, wohin seine eigene Spende wirklich geht? Geschweige denn, sie persönlich abzugeben.

Am Mount Kenya

Nachdem wir ganz unspektakulär am Morgen den Äquator überquert haben – lediglich ein Schild weist darauf hin und sobald man aussteigt kommen gleich schon wieder 3 Verkäufer auf einen zu und man will schnell wieder weg – fahren wir zum Mount Kenya, dem kleinen Bruder des Kilimanjaro und zweihöchsten Berg Afrikas.
Durch Zufall finden wir nach 3km Urwald-Piste, von der wir nicht genau wissen wo sie endet, die Castle Forest Lodge, geführt von einer Holländerin und somit sehr nach westlichem Standard und nicht ganz billig. Aber für die Kulisse, den Service und die Sauberkeit ist das schon ok. Wir sind ja ganz schlimme Sachen aus dem Sudan und Äthiopien gewohnt, gerade was die sanitären Anlagen angeht, deshalb freuen wir uns besonders über sehr saubere Toiletten und warme Duschen. Jeden Morgen und Abend wird eigens für uns das Wasser heiß gemacht, indem unter dem Wassertank, der in ein kleines Häuschen eingemauert ist, ein Feuer gemacht wird. Das ist nicht nur romantisch, sondern hält das Wasser auch für Stunden warm. Hier in den Bergen heizt sich das Wasser in einem Solar-Tank ja nicht so stark auf wie in der Wüste. Super Idee also!
Wir bleiben 2 Tage bei der Lodge, da wir ein kleines Paradies mitten im Dschungel entdeckt haben. Direkt nebenan verläuft ein Bergbach, der einen nicht weit vom Camp einen kleinen Wasserfall bildet. Dorthin führt ein enger Pfad durch den Urwald. Alles wirkt wie gemalt oder im Märchen! Und es riecht überall genau wie im Tropenhaus im Zoo. Wir gehen wandern – mit einem Guide, da Gefahr von Verlaufen und dem Begegnen wilder Tiere besteht. Es soll Elefanten geben, leider sehen wir keinen, allerdings genug Spuren um es zu glauben, z.B. Elefantenzähne. Am nächsten Tag gehen wir reiten. Ja, reiten! Robert sitzt um ersten Mal auf einem Pferd und nach einer kleinen Eingewöhnungsphase macht es ihm richtig Spaß. So ziehen wir mit unseren Pferdchen – natürlich wieder inklusive Guide – schön langsam durch den Dschungel.

Nairobi

Angekommen in Nairobi begeben wir uns sofort in die Jungle Junction, ein Camp, das uns schon seit Kairo als DAS Camp für Überland-Reisende, wie wir es sind, empfohlen wird. Geführt von einem Deutschen hat das Camp auch alles zu bieten, was man erwartet, sogar ein Restaurant und Wäscheservice. Hier kann man der Sicherheit wegen (Nairobi nennt man nicht umsonst auch gern „Nairobbery“) hinter dicken Eisentoren für ein paar Tage Afrika draußen lassen und Urlaub vom Urlaub machen. Wir nutzen diese Chance auch voll und ganz und geben zu, dass wir uns mehrere Tage lediglich in einem Umkreis von maximal 5km um das Camp bewegt haben, meistens nur zum Shopping Center und zurück. Schließlich gibt’s im Camp ja auch kostenlos WLAN, nicht? Naja, und zu VW, wo wir echtes Glück haben: Man hat – nach einer Aktualisierung der Datenbank, weil unser deutsches Modell nicht drin ist – genau einen für den Bus passenden Luftfilter da. Na, das ist ja super! Gekauft.
Im Camp sind tatsächlich fast ausschließlich andere Langzeit-Reisende, wir treffen auf viele bekannte Gesichter und auch viele neue. Ein Paar ist sogar schon seit 6 Jahren unterwegs! Unglaublich! Andere stellen ihr Auto hier unter und kommen mehrmals im Jahr runter auf Urlaub. Es sind enorm viele Deutsche hier und es gibt schöne deutsche Grillparties mit Nudel- und Kartoffelsalat und allem Drum und Dran.
Aber auch der schönste Deutschland-Urlaub geht mal zu Ende und so brechen wir bald auf, denn wir wollen ja noch die Tiere sehen!

Masai Mara Naturreservat

Wir kommen spät an im Reservat, es ist schon kurz vor der Dämmerung, aber der Einlasser lässt uns durch und sagt uns, wir sollen einmal quer durch’s Reservat fahren zum anderen Ende nahe der tansanischen Grenze und dort alles regeln, Eintritt und so weiter. Wir finden es erstmal super, dass wir überhaupt mit dem eigenen Auto reindürfen. Aber bevor wir uns darüber erst richtig freuen können, springen auch schon die ersten Gazellen und Zebras vor dem Auto herum. Damit hatten wir so schnell nun wirklich nicht gerechnet! Als Robert dann kurze Zeit später eine Vollbremsung macht (naja, soweit das bei 15km/h nötig ist) und sagt „Da saß grad ein Löwe.“, muss Anne deshalb erstmal lachen „Na klar, ein Löwe!“. Wir setzen ein paar Meter zurück und tatsächlich. Da sitzt direkt neben der Straße im Gras ein Löwe. Eine Sie um genau zu sein. Wir sind fasziniert und versuchen ein Foto, leider ist es schon fast dunkel und der Blitz schreckt das Tier auf. Es läuft los, direkt vor den Bus und als wir langsam hinterherfahren auch ein Stück neben dem Bus her, bleibt dann stehen, lässt uns vorbei und verschwindet dann in der Dunkelheit.
Im Stockdunkeln erreichen wir den Campingplatz auf der anderen Seite und können kaum den Morgen abwarten, denn die Nacht ist so dunkel, dass man die Tiere nicht sieht. Einzig die Warnung des Rangers, nachts besser nicht aus dem Auto zu steigen, lässt ahnen, dass es welche geben muss.
Als wir morgens den Kopf auf dem Auto stecken, wandert am Horizont schon die erste Giraffe entlang. Außerdem laufen einige Sekretärsvögel, große schwarz-weiße Vögel, umher. Da wir gestern so spät dran waren, müssen wir nur den Eintritt für diesen einen Tag zahlen und bekommen sogar Dank des Vorzeigens (zugegeben falscher bzw. abgelaufener, aber pssst!) Studentenausweise 50% Rabatt. Da haben wir also wieder mal was richtig gemacht. Wir können außerdem problemlos mit dem eigenen Auto fahren, nur aussteigen ist nicht erlaubt. Außerdem bekommen wir noch einen Handzettel mit Tipps und Hinweisen, wie man die Tiere am besten beobachtet OHNE sie zu stören. Also z.B. nicht mit Blitzlicht auf ungewarnte Löwen zu schießen, so wie wir gestern. Ups. Aber los geht es mit dem Busli auf Safari!
Den ganzen Tag fahren wir durchs Reservat, unser Garmin GPS hat alle Strecken, auch die kleinen Sandpisten abseits der Hauptstraßen drin, so dass wir problemlos navigieren können. Trotzdem geraten wir in das eine oder andere Matschloch und auch ein paar Fluss-Querungen (ohne Brücken versteht sich) gestalten sich – na sagen wir mal – interessant: „Kommen wir da durch?“ Und dabei sind wir schon halb drin im Schlamassel „Bestimmt!“ ist Robert’s äußerst optimistische Lieblingsantwort auf alle Lebensfragen. Manchmal ist es schon ganz schön spannend, vor allem angesichts dessen, dass wir ja erst 100m vorher Löwen gesichtet haben und hier warten müssten bis jemand kommt, wenn wir stecken bleiben, da Aussteigen zu gefährlich wäre. Zum Glück haben wir immer Wasser und Essen für mindestens 1 Woche im Bus und die Flüsse führen auch nur wenig Wasser um diese Zeit, sonst hätte es wohl etwas unangenehm werden können.
Was für ein Tag! Wir haben sie alle gesehen: Löwen, Giraffen, Elefanten, Schakale, Büffel, Gnus, Hippos, Gazellen, Schakale, Impalas, Paviane, Vogelstrauß, Warzenschweine… und sie alle liefen putzmunter kreuz und quer durch das schöne Grasland der Masai Mara und um den Bus herum. Dazu noch die unzähligen Vögel und Schmetterlinge. Und wir dachten, wir müssten uns hier 3-4 Tage auf die Lauer legen, um einen einzigen Elefanten zu sichten!

Allgemein

In Kenia sind wir zunächst erleichtert, das „You, you, you“ (s. Die pawlow’schen Kinder) hinter uns zu lassen. Die Menschen hier sind auf einen Schlag wieder fast nur freundlich und nur wenig fordernd.

Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich von Wüste (Norden) über Regenwald (Mt. Kenya) bis zu den Grashügeln (Masai Mara). Das Wetter ist weiterhin sommerlich bei 25-30°C und hin und wieder Regen (im Wald und in Nairobi).

In Kenia ist es wieder sehr touristisch und das merkt man auch an den Preisen. Campingplätze und Lebensmittel werden teuer und auch von den Traum-25 Cent für Benzin in Ägypten sind wir weit entfernt. Aber mit rund 60 Cent ist es immernoch besser als in Europa, oder?
Auch haben wir ernährungstechnisch das Gröbste überstanden. Es gibt wieder Fleisch und Wurst – die zwei haben uns zwei fleischfressenden Pflanzen wirklich gefehlt – und eine große Auswahl in noch größeren Shopping-Centern. Natürlich nur in den größeren Städten, aber kleinere gut sortierte Supermärkte findet man überall.

Gerne hätten wir auch etwas zur Erinnerung mitgenommen. Der Souvenir-Markt in Kenia ist allerdings etwas… unübersichlich. Überall findet man Märkte mit „echt vor Ort“ vom jeweiligen Händler „handgefertigten“ Sachen, die man dann aber schnell auch auf jedem anderen Markt im Land wiedererkennt und man merkt, dass es doch Massenware ist. So ergeht es uns mit einem schönen kleinen Hocker, der Anne schon im Samburu-Dorf aufgefallen ist (sollte 700 Schilling kosten, ca. 7 Euro) und den wir dann in einem Masai-Shop im Süden wiedersehen, ganz genau denselben, nur dass er hier schlappe 1500 US-Dollar (!) kosten soll. Er sei sehr alt und daher so teuer. Wir glauben immernoch der Verkäufer wollte uns veräppeln. Wir haben noch ein paar andere Preise abgefragt und es gab alles zwischen 30 und 1500 Dollar, scheinbar aber völlig wahllos zugeordnet. Das war uns dann doch eine Spur zuviel Abzocke, Tourismus-Aufschlag hin oder her.

Wieder hat man viel gehört, Gerüchte über die Strecke im Norden und ihre Gefahren und wieder sind wir gut durchgekommen. Wir sind inzwischen der Ansicht, dass man nicht alles glauben muss, was andere sagen. Jeder hat ein anderes Empfinden und wir verlassen uns nicht mehr auf ein „Da müsst ihr hin!“ oder „Das lasst bloß sein!“ sondern machen uns lieber selbst ein Bild. In diesem Sinne – weiter geht’s nach Tansania zu „Spießer-Weihnachten am Meer“ – denn das machen ja alle. Aber wir eben zum ersten Mal 🙂